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Blutsenkung

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Was ist eine Blutsenkung? Was sagt sie aus?
 
Die Blutsenkungsreaktion (BSR) spiegelt die Aggregationstendenz (Klumpungstendenz) der roten Blutzellen (Erythrozyten=Ery) wider. Blut wird in eine feine, standardisierte, senkrecht stehende Glasröhre aufgezogen und während einer Stunde stehen gelassen. Anschliessend wird gemessen, wie viele Millimeter die zellulären Elemente des Blutes sedimentiert, also sich gesetzt haben. Die im Gravitationsfeld der Erde absinkenden aggregierten Ery geben einen leicht trüben, hellgelblichen Plasmaüberstand frei, der leicht messbar ist. Eigenschaf-ten sowohl des Plasmas als auch der Ery spielen dabei eine Rolle. 
Plasmatische Faktoren, welche die BSR beschleunigen, sind vor allem hochmolekulare Ei-weisse (zum Bsp. Antikörper). Das Albumin, ein kleines Eiweiss, vermindert hingegen die Aggregation. Ein Ery-Mangel (Anämie) oder abnorm grosse Ery (Makrozyten) führen zu einer Beschleunigung, während eine Zunahme der Zahl (Polyglobulie) oder kleine oder defor-mierte Formen von Ery (Mikrozytose, Echinozytose usw.) zu einer Abnahme der BSR führen. Ery sind an ihrer Oberfläche negativ geladen. Deshalb stossen sich die Zellen nach Unter-schreiten einer bestimmten Distanz ab. An der Oberfläche können Eiweisse wie Fibrinogen und a2-Makroglobuline (=Akutphasenproteine, welche vermehrt gebildet werden bei jeglicher Form von entzündlichen Prozessen wie Infektionen, rheumatische Erkrankungen usw.) sich gleichzeitig an zwei Zellen haften und eine Struktur mit relativ grosser Masse bilden, die dann stärker sedimentiert, so dass die BSR beschleunigt wird. 
Generell beeinflussen alle Prozesse, welche eine Verschiebung der Plasmaeiweisskonzen-tration zur Folge haben, die BSR. Weil sich einzelne Faktoren aber unabhängig voneinander verschieben, kann auch wider Erwarten eine Beschleunigung der BSR ausbleiben. Bei einer Blutvergiftung (Sepsis) zum Beispiel, welche mit einer vermehrten Produktion von Fibrinogen und somit mit einer beschleunigten BSR einhergeht, kann bei einem schweren Verlauf eine Gerinnselbildung in den kleinen Blutgefässen auftreten und somit der vermehrte Verbrauch von Fibrinogen. Die BSR wird deshalb trotz lebensgefährlicher Krankheit rückläufig, eventuell sogar normal sein. 
Die Umgebungstemperatur (nicht die Temperatur des Patienten oder der Patientin), bei der die BSR durchgeführt wird, ist ebenfalls sehr wichtig, weil beispielsweise bei 37C im Ver-gleich zu 20C ein doppelt so hohen Wert gemessen wird. 
Die normale BSR beträgt beim gesunden jungen Mann bis 10 mm/h. Sie ist bei einer gleich-altrigen Frau zirka 5 mm/h höher, weil sie in der Regel kleinere Ery aufweist. Wenn Frauen Ovulationshemmer einnehmen, kann die BSR noch höher liegen, weil der Fibrinspiegel unter dieser Medikation ansteigt. Die BSR nimmt mit steigendem Alter um zirka 0.2 mm/Jahr zu. Für praktische Zwecke wird als Grenze bei Männern unter 50 Jahren eine BSR unter 15 mm/h und bei Frauen unter 20 mm/h als normal betrachtet, während bei Männern über 50 Jahren eine BSR unter 20 mm/h und bei Frauen unter 30 mm/h normal ist. 
Mehrere Studien beobachteten bei Gesunden mit normaler BSR bei Studienbeginn den Verlauf der BSR über Jahre hinsichtlich der Aussagekraft für das Früherkennen einer später auftretenden Krebskrankheit. Es gab keine Korrelation. 
Andere Studien belegen, dass eine BSR von über 100 mm/h bei 95 Prozent der Fälle einer Krankheit anzeigt, welche allerdings in der Regel im Symptomen einhergeht. Bei 5 Prozent fand sich keine Ursache, und im Verlauf kam es zu einer spontanen Normalisierung. 
Die Aussagekraft der beschleunigten BSR sollte deshalb nur gezielt angewendet werden. Sie eignet sich nicht als Screenuntersuchung für die Suche nach zum Beispiel eines Tumor-leidens. Bei einigen entzündlichen Krankheiten, für die noch keine spezifischen Marker ent-deckt wurden, ist sie als Verlaufswert bei die Aktivität der Krankheit beispielsweise für die Cortisondosierung bei der Poymyalgia rheumatica hilfreich. 
PD Dr. med. Verena Briner, Chefärztin Med. Klinik, Kantonspital Luzern
Quelle: Neue NZ im August 2000
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