Wie können wir helfen?

Bewegung eine „Powerpille“ (von Dr. med. Walter Weber)

You are here:
< Zurück

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Medikament mit folgenden Eigenschaften: es stärkt die Muskeln, die Knochen (weniger Osteoporose) und die Gelenke (weniger Arthrosen) und schützt damit vor Stürzen und den damit verbundenen Verletzungsfolgen. Es verringert das Risiko für Zuckerkrankheit und hilft diese zu behandeln, es hilft, hohen Blutdruck zu senken, es verbessert den Cholesterinstoffwechsel und reduziert damit das Risiko für Gefässverschlüsse (Herzinfarkt, Hirnschlag, andere Arterienverschlüsse). Es senkt das Gewicht, verbessert die Verdauung, verkleinert das Krebsrisiko und stärkt das Immunsystem. Vom Hirn her wird der Schlaf verbessert, Stress wird abgebaut und das Risiko für Depressionen, andere psychische Erkrankungen und Demenz sinkt deutlich. Dank dieser vielen positiven Eigenschaften ist es klar lebensverlängernd, führt zu einer besseren Lebensqualität und hat dazu keine relevanten Nebenwirkungen. Natürlich (oder leider!) gibt es (noch?) kein solches Medikament, ABER schon ab 75 Minuten Zeitinvestition pro Woche und etwas Überwindung kann dieser Effekt erreicht werden: mit BEWEGUNG.

Die Muskulatur ist eines der grössten Organe unseres Körpers und entspricht bei Männern 40%, bei Frauen 30% des Körpergewichts. Die Muskeln dienen jedoch nicht nur dazu, uns zu bewegen, sondern sie sind auch sehr stoffwechselaktiv. Noch nicht so lange kennt man die Gründe, warum Bewegung so viele positive Effekte hat. Erst 2007 hat die dänische Forscherin Bente Klarlund Pedersen die Myokine entdeckt, welche bei körperlicher Aktivität in den Muskeln gebildet werden. Myokine sind hormonähnliche Botenstoffe mit ganz vielen positiven Wirkungen Es gibt ungefähr deren 600, wobei erst ein kleiner Teil erforscht ist. So ist Interleukin-6 entzündungshemmend und hat so eine positive Wirkung auf das Immunsystem, ferner regt es den Fettabbau an. BDNF ist eine Substanz, welche Nervenzellen zu Wachstum anregt und so das Gedächtnis verbessern sowie das Risiko für Demenz vermindern kann. IGF-1, eine insulinähnliche Substanz, regt die Synthese von Muskelprotein an und hilft so, Muskeln aufzubauen. VGEF stimuliert die Verzweigung von kleinen Blutgefässen und verbessert so die Durchblutung vor allem von Muskelgewebe, usw. Die Forschung hat bisher erfolglos versucht, diese Stoffe zu synthetisieren und als Medikamente auf den Markt zu bringen. Da es sich um Proteine handelt, ist dies auch nicht so einfach, da diese bei der Verdauung zerlegt werden.
Es ist normal, dass unsere Muskelmasse mit dem Älterwerden abnimmt, und zwar etwa 1%/Lebensjahr ab circa 40 Jahren. Damit verbunden ist auch ein Kraftverlust, man rechnet mit etwa 4%/Jahr. Mit regelmässigem Gebrauch der Muskeln kann man diesen Prozess entscheidend verzögern: so hat eine 70-jährige Person mit regelmässigem Training die gleiche Muskelmasse wie eine 50-jährige Person, welche inaktiv ist. Bei Inaktivität gehen laufend Muskelzellen verloren und werden durch Fett ersetzt. Dieser Prozess führt im Alter zur Sarkopenie (starker Muskelschwund), damit verbunden ist ein 3,2-fach erhöhtes Sturzrisiko mit Verletzungsfolgen, welche das Sterberisiko um den Faktor 3,6 erhöhen. 10% der Todesfälle im Alter sind bedingt durch körperliche Inaktivität, gleichviele wie durch Rauchen!

Wieviel Bewegung und welche Art von Training braucht es, um einen positiven Effekt zu erzielen? Ideal ist ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining, bereichert mit Übungen für Beweglichkeit und das Gleichgewicht. 5×30 Minuten leichte Tätigkeit pro Woche, z.B. zügiges Spazieren, Schwimmen oder Velofahren, oder 3×25 Minuten intensiveres Training, z.B. Joggen und Krafttraining, reichen, um den Effekt einer Powerpille zu erreichen. Man kann die Bewegung im Alltag einbauen, indem man den Arbeitsweg, oder einen Teil davon, läuft bzw. mit dem Velo zurücklegt, dies ebenso beim Einkaufen. Kraftübungen können zu Hause mit einfachen Hilfsmitteln (Gummiband, Hanteln oder gefüllte PET-Flaschen) sowie dem Eigengewicht gemacht werden. Die Ideen kann man sich im Internet oder bei einem Physiotherapeuten holen. Als optimale Variante ist ein regelmässiger Besuch eines Fitnesscenters empfehlenswert, hier kann ein abwechslungsreiches und kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining unter fachkundiger Anleitung absolviert werden, auch bei schlechtem Wetter. Ich höre immer wieder, dass die Zeit dazu nicht vorhanden ist. Da könnte man versuchen, einen Teil des Fernsehabends auf dem Hometrainer zu verbringen, auch ein paar Kraftübungen liegen da noch drin. Wichtig erscheint mir, am Sport, an der Bewegung Freude zu kriegen. So soll sich jede Person überlegen, was am besten zu ihr passt und sich einen entsprechenden Plan zusammenstellen. Es gibt keine obere Altersgrenze für sportliche Aktivitäten, anderseits gilt, je früher, desto besser.
Um den Muskelschwund im Alter zu verlangsamen, braucht es neben der richtigen Bewegung auch das richtige Essen: man muss unbedingt auf eine genügende Eiweisszufuhr achten, ältere Leute sollten 1,5 g Eiweiss pro Kilo Körpergewicht einnehmen, bei jüngeren genügt 1g/kg KG. Natürliches Eiweiss ist im Fleisch, Fisch, in Eiern, Milchprodukten (ohne Butter und Rahm), Nüssen und Hülsenfrüchten enthalten. Falls man damit nicht auf die erforderliche Menge Eiweiss kommt, können Zusätze in Form von Milcheiweiss (Molke und Casein) zugefügt werden (z.B. Fresubin- und Resource-Präparate). Neuere Studien haben gezeigt, dass mit der Aminosäure Leucin angereicherte Molke-Präparate den muskelauf-bauenden Effekt noch verbessern (z.B. Moltein plus).
Aktuell gibt es keine Tabletten, welche auch nur annähernd die Wirkung eines regelmässigen Trainings erreichen. Also aktivieren wir die körpereigene Apotheke so oft wie möglich, indem wir unsere Komfortzone verlassen! Überwinden wir uns doch ein paar Mal pro Woche und geniessen das gute Gefühl, welches uns nach körperlicher Aktivität beglückt!

Call Now Button